Reverberations / Nachklänge
17.05.2024, 19:00 Florentinersaal
Palais Meran, Leonhardstraße 15, 8010 Graz
Das Konzert „Reverberations / Nachklänge“ legt den Fokus auf den Nachhall. Ob im Zeit-Geben von Schwingungen im Raum, dem Erahnen des Bekannten in Verfremdetem und Überschriebenen, dem Nachfühlen von Instrumenten und Körpern im Raum oder dem Nachlauschen in Zwischenräume analoger, erweiterter und elektronischer Klangerzeugung. Ein Flügel ist in allen drei Beiträgen zentral und wird vielseitig bespielt, präpariert, gelooped und über den traditionellen Klavierklang hinaus transformiert. Das Programm beinhaltet Klavier Solo-Stücke, Lieder für Stimme, Klavier und Elektronik sowie einen musikalischen Selbstdialog für Geige und Klavier.
Das Konzert besteht aus drei Teilen:
I) Das Projekt „Klavier im Mittelpunkt des kulturellen Austauschs” betrachtet die traditionelle persische Musik als Quelle für interdisziplinäre und interkulturelle Zusammenarbeit mit lebenden Komponisten. Ziel ist es, das Klavier neu zu denken: durch detaillierte gemeinschaftliche und interkulturelle Forschung zu traditionellen persischen Musiktechniken einen klanglichen „Sprung“ in zeitgenössischen Klaviertechniken, Ästhetiken und Experimenten zu ermöglichen. Das erste Stück, das für dieses Projekt fertiggestellt wurde, ist eine neue Komposition von der amerikanischen Komponistin Rachel C. Walker. In diesem Stück hat die Komponistin versucht, verschiedene Arten von Gesten / Kontaktmethoden zu destillieren und mit transformierten Klängen aus persischer Musik zu kombinieren, die ein „Spiegelbild“ erzeugen könnten. Das ermöglicht, eine Art „Meta-Instrument“ zu komponieren, das auf der Basis des Klaviers beruht.
II) Als Doppelinstrumentalistin setzt sich Samira Spiegel in ihrer Forschung mit dem Thema musikalischer Selbstdialog auseinander. Das eigens dafür komponierte Werk „And If I Do“ von Damian Scholl arbeitet hierfür mit außergewöhnlichen Techniken um das simultane Spiel von Klavier und Violine zu ermöglichen. „Die Instrumente, deren Sphären so verschieden sind, können sich verbinden, einander annähern oder ihre Gegensätzlichkeit ausleben. Bei alldem stehen sie sich aber immer gegenseitig im Weg, denn das gleichzeitige Spiel bringt praktische Einschränkungen mit sich – keines der beiden kann virtuos brillieren. Dennoch: in dieser Beschränkung, in diesem Verzicht liegt auch die Möglichkeit des Innehaltens und des Zuhörens. So ist dieses Werk eine Reise durch das eigene Innenleben, ein Nachfühlen der Kräfte, die an uns ziehen, die uns zerreißen und uns versöhnen können.“ (Damian Scholl)
III) Das Forschungsprojekt ‘Beyond Kunstlied’ beschäftigt sich mit klassischer Liedinterpretation im Spannungsfeld von Unmittelbarkeit und Artifizialität. Dafür werden Grenzbereiche ausgelotet, um über das Verständnis eines sehr traditionell geprägten Genre-Begriffs („Kunstlied“) hinaus zu einem umfassend gedachten Verständnis einer performativen Praxis („Liedkunst“) zu gelangen. Das Programm ‚Reverberations‘ umfasst kanonisierte und wenig gespielte Lieder genauso wie ‚Metakompositionen’, die Altbekanntes überschreiben. Die Lieder bilden eine Klammer für Miniaturen aus Ruth Schonthals Klavierzyklus ‚Nachklänge‘ für Klavier Solo in der Mitte des Programms. Hierin setzte sie sich mit ihrer Flucht aus Nazi-Deutschland und dem daraus folgenden Exil auseinander. Dafür verarbeitete sie Motive deutscher Volkslieder – jedoch nicht mehr gesungen von einer menschlichen Stimme. Stattdessen erklingen sie als ‚Lieder ohne Worte’ auf einem präpariertem Flügel und hallen verfremdet in Raum und Körper nach.
The concert “Reverberations / Nachklänge” focuses on resonance. Whether it’s giving time to vibrations in space, sensing the familiar in estranged and overwritten forms, feeling the instruments and bodies in the room, or listening closely to the spaces between analog, expanded, and electronic sound generation. A grand piano is central to all three contributions and is played, prepared, looped, and transformed beyond traditional piano sound. The program includes piano solo pieces, songs for voice, piano, and electronics, as well as a musical self-dialogue for violin and piano.
The concert consists of three parts:
I) The project “Piano at the Center of Cultural Exchange” considers traditional Persianmusic as a source for interdisciplinary and intercultural collaboration with livingcomposers. The aim is to rethink the piano: to enable a sonic ‚leap‘ in contemporary piano techniques, aesthetics, and experimentation through detailed collaborative and intercultural research into traditional Persian musical techniques.The first piece completed for this project is a new composition by American composer Rachel C. Walker. In this piece, the composer tried to distill various types of gestures/contact methods and combine them with transformed sounds from Persian music that could create a “mirror image.” This makes it possible to compose a kind of “meta- instrument” based on the piano.
II) As a double instrumentalist, Samira Spiegel explores the topic of musical self-dialogue in her research. The specially for her composed piece ‘And If I Do’ by Damian Scholl employs extraordinary techniques to enable the simultaneous play of piano and violin. “These instruments, with their distinct realms, can connect, approach each other, or express their contrasts. However, they always hinder each other due to the practical limitations of playing simultaneously – neither can virtuosically shine. Nevertheless, within this constraint, within this renunciation, lies the opportunity for reflection and listening. Thus, this work is a journey through one’s inner life, a sensing of the forces that pull us, tear us apart, and can reconcile us.“ (Damian Scholl)
III) The research project ‘Beyond Kunstlied’ deals with classical song interpretation in the interplay of immediacy and artificiality. Artistic frontiers are explored to move beyond the understanding of a very traditionally shaped genre concept (“art song”) towards a comprehensive understanding of a performative practice (“song art”). The program’Reverberations’ includes canonized and rarely played songs as well as ‘metacompositions’ that overwrite the familiar. The songs are arranged around miniatures from Ruth Schonthal’s piano cycle ‘Nachklänge’ for piano solo in the middle of the program. Here, she dealt with her escape from Nazi Germany and the resulting exile. For this, she processed motifs from German folk songs – but no longer sung by a human voice. Instead, they sound as ‘songs without words’ on a prepared piano and reverberate estranged in space and body.
Programm:
Rachel C. Walker
Klavierstück III für solo Klavier (8’)
Maryam Mehraban, Klavier
—
Damian Scholl (*1988)
And if I Do (komponiert 2023)
for Violin and Piano (in Personalunion)
- Creation
- Does this work?
- Taking things slowly
- Not the same page
- Deus ex Machina
- This might work. Right?
- Same but different
Samira Spiegel, Violine und Klavier
—
The Soul has Bandaged moments –
When too appalled to stir –
She feels some ghastly Fright come up
And stop to look at her–
Bernhard Lang
Mail
Aus: Cold Trip
Franz Schubert / Wilhelm Müller
Auf dem Flusse
Aus: Winterreise
Bernhard Lang
Deviant
Aus: Cold Trip
Franz Schubert / Wilhelm Müller
Wegweiser
Nebensonnen
Aus: Winterreise
The Soul’s retaken moments –
When, Felon led along,
With shackles on the plumed feet,
And staples, in the song-
Ruth Schonthal
Choral
Sehnsuchtsthema
Der Krieg
Ich hatt’ einen Kameraden
Nachklänge I
Vulgarität
Nachklänge II
Aus: Nachklänge – Reverberations
Ilse Weber
Wiegala Weia
Aus: In deinen Mauern wohnt das Leid. Gedichte aus Theresienstadt
The soul has moments of escape –
When bursting all the doors –
She dances like a Bomb, abroad,
And swings upon the Hours–
George Crumb / Robert Southey
Night
Aus: Three early songs
Claude Debussy / Paul Verlaine
Green
Spleen
Aus: Ariettes oubliées
Franz Schubert / August von Platen
Du liebst mich nicht
Oliver Messiaen
Katchikatchi les étoiles
Aus: Harawi – Chant d’amour et de mort
Ilse Weber
Und der Regen rinnt
Aus: In deinen Mauern wohnt das Leid. Gedichte aus Theresienstadt
Emily Dickinson: The Soul has Bandaged moments
Walt Whitman: Song of Myself (Auszüge. aus: Leaves of grass)
Bertolt Brecht: Morgens und abends zu lesen
Marlene Heiß, Klavier
Johannes Wieners und Theresa Pilsl, Gesang
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